Heute früh trafen wir uns alle noch mal beim Frühstück und es hieß Abschied nehmen. Ich bleibe noch einen weiteren Tag in Vilnius, da sonntags keine Fähre von Klaipeda nach Kiel fährt.
Heute wollte ich etwas mehr über die jüngere Geschichte Litauens erfahren und die Wettervorhersage empfahl mir lieber einen Museumsbesuch. Ich machte mich auf den Weg zur ehemaligen KGB-Zentrale von Vilnius, in der heute das Museum der Okkupationen und Freiheitskämpfe zu Hause ist. Die Litauer haben im letzten Jahrhundert zweimal ihre Freiheit verloren. 1940/41 wurde Litauen als Resultat des Hitler-Stalin-Paktes von der Sowjetunion durch die Rote Armee das erste Mal besetzt. Während des II. Weltkrieges erfolgte die Besatzung durch das Deutsche Reich. Nach dem II. Weltkrieg versuchten Partisanenkämpfer, die Unabhängigkeit Litauens zu erreichen. Anfang der 1950er waren sie der Roten Armee unterlegen und Litauen wurde eine Sowjetrepublik. Als Folge der Okkupation wurden Hunderttausende Litauer nach Sibirien deportiert. Viele haben die Gefangenschaft in den Arbeitslagern nicht überlebt. Diese eigenen Erfahrungen aus der Vergangenheit erklären die große Unterstützung Litauens und auch der anderen baltischen Staaten für die Ukraine. In allen baltischen Staaten weht an öffentlichen Gebäuden neben der eigenen Landesflagge auch immer die ukrainische Flagge.
Vom Museum aus machte ich mich auf den Weg in Richtung Altstadt. Ich nahm hierzu die Route über den Gedimino Prospekt. Die Prachtstraße war heute für den Autoverkehr aufgrund einer Radsportveranstaltung gesperrt. An der St. Stanislaus Kathedrale musste ich mich erst einmal ins Innere der Kirche retten, da ein heftiger Regenschauer über die Stadt zog. Bin dann auch direkt in die Sonntagsmesse reingeplatzt. Diese neigte sich aber gerade dem Ende entgegen und der Regenschauer war auch direkt vorbei.
Ich setzte meinen Weg in die kleine autonome Republik Užupis fort. Was ist die Republik Užupis? Sie wurde mir auf alle Fälle von zwei Seiten empfohlen zu besuchen. Eigentlich ist Užupis ein Stadtviertel von Vilnius. In dem Viertel lebten bereits schon zu Sowjetzeiten viele Künstler. Einer von ihnen, der in Litauen bekannte Musiker und Filmemacher Romas Lileikis, wachte eines Morgens auf und fühlte sich als Präsident. Und seitdem ist er es auch. Die Republik hat ihre eigene Verfassung. Diese ist auch in mehreren Sprachen ausgehängt. Jede/r hat das Recht, glücklich zu sein. Sofern sie/er es denn will. Es gibt auch das Recht auf unglücklich zu sein. Auch den $3 finde ich sehr spannend: „Jeder Mensch hat das Recht zu sterben, ist jedoch hierzu nicht verpflichtet“. Die vollständige Verfassung in deutscher Sprache findet Ihr hier.
Wer mag, kann sich in seinen Reisepass auch gern einen Stempel von der Einreise geben lassen. Ich hatte leider nur den Personalausweis dabei. Die Republik Užupis hat auch diverse Botschafter. Einer von ihnen ist der Dalai Lama.
Nach der „Ausreise“ aus Užupis schaute ich noch einmal zur Gediminas Burg und mir das ganze von oben an. Heute Abend war ich zum Abschied noch in einem georgischen Restaurant zum Abendessen. Die Reise ins Baltikum hatte ich ursprünglich mal 2020 in direktem Anschluss an eine Georgienreise geplant. Doch dann kam die Coronapandemie dazwischen. Aber so schließt sich der Kreis wieder irgendwie.
Das ist heute meine letzter Bericht von einer tollen und erlebnisreichen Radreise durch das Baltikum. Wir waren eine schöne Reisegruppe, die viel Spaß zusammen hatte. Für mich geht es mit dem Bus morgen früh nach Klaipéda und am Abend dann mit der Fähre zurück nach Deutschland nach Kiel.
Bis danne,
Gimli
Und hier nochmal die Verfassung von Užupis:
1. Jeder Mensch hat das Recht, am Fluss Vilnelé zu wohnen, und die Vilnelé hat das Recht, an jedem vorbei zu fließen.
2. Jeder Mensch hat das Recht auf heißes Wasser, Heizung im Winter und auf ein Ziegeldach.
3. Jeder Mensch hat das Recht zu sterben, ist jedoch hierzu nicht verpflichtet.
4. Jeder Mensch hat das Recht sich zu irren.
5. Jeder Mensch hat das Recht, einzigartig zu sein.
6. Jeder Mensch hat das Recht zu lieben.
7. Jeder Mensch hat das Recht, nicht geliebt zu werden, jedoch nicht unbedingt.
8. Jeder Mensch hat das Recht, weder berühmt noch bekannt zu sein.
9. Jeder Mensch hat das Recht, zu faulenzen oder nichts zu tun.
10. Jeder Mensch hat das Recht, eine Katze zu lieben und für sie zu sorgen.
11. Jeder Mensch hat das Recht, für seinen Hund zu sorgen bis einer von beiden stirbt.
12. Ein Hund hat das Recht, Hund zu sein.
13. Eine Katze ist nicht verpflichtet, ihren Hausherren zu lieben, aber in schweren Momenten muss sie ihm beistehen.
14. Jeder Mensch hat das Recht, manchmal nicht zu wissen, ob er Verpflichtungen hat.
15. Jeder Mensch hat das Recht zu zweifeln, ist jedoch hierzu nicht verpflichtet.
16. Jeder Mensch hat das Recht, glücklich zu sein.
17. Jeder Mensch hat das Recht, unglücklich zu sein.
18. Jeder Mensch hat das Recht zu schweigen.
19. Jeder Mensch hat das Recht zu glauben.
20. Kein Mensch hat das Recht, Gewalt auszuüben.
21. Jeder Mensch hat das Recht, seine Nichtigkeit und seine Größe zu begreifen.
22. Kein Mensch hat das Recht, nach der Ewigkeit zu trachten.
23. Jeder Mensch hat das Recht zu verstehen.
24. Jeder Mensch hat das Recht, nichts zu verstehen.
25. Jeder Mensch hat das Recht, verschiedenen Nationalitäten anzugehören.
26. Jeder Mensch hat das Recht, seinen Geburtstag zu feiern oder nicht zu feiern.
27. Jeder Mensch ist verpflichtet, sich an seinen Namen zu erinnern.
28. Jeder Mensch darf mit anderen teilen, was er hat.
29. Kein Mensch kann mit anderen teilen, was er nicht hat.
30. Jeder Mensch hat das Recht auf Geschwister und Eltern.
31. Jeder Mensch darf frei sein.
32. Jeder Mensch ist für seine Freiheit verantwortlich.
33. Jeder Mensch hat das Recht zu weinen.
34. Jeder Mensch hat das Recht, unverstanden zu bleiben.
35. Kein Mensch hat das Recht, einen Anderen schuldig zu machen.
36. Jeder Mensch hat das Recht auf Persönlichkeit.
37. Jeder Mensch hat das Recht, keine Rechte zu haben.
38. Jeder Mensch hat das Recht, keine Angst zu haben.
39. Besiege nicht
40. Wehre dich nicht
41. Gib nicht auf